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Nicht überall war der Wurm drin - 31.07.2025
Von Michael Götschenberg, MDR, ARD-Hauptstadtstudio (www.tagesthemen.de)
Es war die erste große Auslandsreise des neuen Bundespräsidenten - fünf Tage war Christian Wulff in Russland. Eine Reise voller Gegensätze, denn Wulff hatte sich entschieden, nicht nur Moskau und St. Petersburg zu besuchen, sondern auch in die Provinz zu fahren.
Fast kurios war ein Besuch in der Stadt Twer, Partnerstadt von Wulffs Geburtsort Osnabrück – dort konnte der Bundespräsident im "Hotel Osnabrück" einkehren. Und gestern machte der Gouverneur von Twer dann mit der Enthüllung Schlagzeilen, er habe beim Staatsbankett für den Bundespräsidenten im Kreml einen Regenwurm in seinem Salat gefunden. Wurm hin oder her – Tatsache ist, dass der Besuch im Kreml zweifellos der Höhepunkt des Staatsbesuchs war.
Die Chemie stimmt
Der russische Präsident Dimitrij Medwedjew nahm sich fünf Stunden Zeit für den Gast aus Deutschland. "Dies ist kein gewöhnlicher Besuch sondern ein großer Staatsbesuch", betonte Medwedjew, "ganz im Zeichen der festen und konstruktiven Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern". Die Chemie zwischen den beiden stimmte. Wulff geriet fast ins Schwärmen, wenn er von Medwedjew sprach: "Der Präsident Medwedjew war außerordentlich herzlich, persönlich, freundschaftlich."
Der Bundespräsident lobt - und mahnt
Privat war die Schnittmenge schnell gefunden: Der deutsche und der russische Präsident stellten fest, dass sie beide die Scorpions mögen und Bono von U2 schätzen. Aber auch politisch schien der russische Präsident den Gast aus Deutschland zu beeindrucken. "Ich glaube an die ernsthafte Absicht des russischen Präsidenten, dass er sein Land modernisieren will", sagte Wulff - verschwieg allerdings nicht, dass es da noch einiges zu tun gibt. Vor Moskauer Studenten an einer Wirtschafts-Elite-Universität mahnte Wulff an, dass es mit wirtschaftlicher Modernisierung allein nicht getan sei. "Dass dazu auch Offenheit gehört, Demokratisierung im Sinne von Ringen um den besten Weg, auch Streit austragen, verschiedene Meinungen, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit – hier muss man sehr viel Aufklärungsarbeit leisten", sagte Wulff.
16-köpfige Wirtschaftsdelegation begleitet Wulff
Zweifellos spielten die Wirtschaftsbeziehungen aber eine große Rolle bei diesem Staatsbesuch. Der Bundespräsident hatte eine 16-köpfige Wirtschaftsdelegation dabei, Manager von Metro, Siemens, Bosch und Eon Ruhrgas, um nur einige zu nennen. Deutsche Unternehmen investieren viel in Russland, klagen aber immer wieder über mangelnde Rechtssicherheit. "Sie müssen sich darauf verlassen können, dass Absprachen gelten, dass Gesetze für alle gelten, dass inländische und ausländische Investoren gleich behandelt werden – das sind Botschaften, die ich an verschiedenen Stellen anbringen konnte und anbringen wollte", so Wulff.
"Dass so ein Mann zu uns kommt"
Ganz bewusst war Wulff deshalb in die Provinz nach Uljanowsk gefahren, weil der dortige Gouverneur für deutlich bessere Bedingungen sorgt als andere Regionen. Auch in Uljanowsk suchte Wulff die Begegnung mit Studenten, was seine Wirkung nicht verfehlte. "Das ist irgendwie eine fantastische Situation, dass so ein Mann in unser eigentlich kleines Gebiet gekommen ist", schwärmte der 19-jährige Deutsch-Student Anton an der Universität Uljanowsk. Vor allem die jungen Russen dürften gern gehört haben, dass der Bundespräsident sich mehr Austausch mit Russland wünscht, vor allem Jugendaustausch und damit auch mehr Reisefreiheit: "Das größte Defizit ist, dass wir nicht genügend Menschen zusammenbringen." Christian Wulff selbst wird sicherlich wieder nach Russland kommen - und dann auf eigene Initiative. Denn diesen Staatsbesuch hatte noch sein Vorgänger Horst Köhler geplant.
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